Katharina Heider

#wurzelspitzen: Auf altem Boden Neues wachsen lassen

Foto: Kerstin Stelter

Auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei Demmel in Seeshaupt wird im Mai 2021 die Ausstellung #wurzelspitzen eröffnet. Die Idee dazu hatten die Eigentümerin des Grundstücks, Katharina Heider, und ihr Mann, der Bildhauer Michael von Brentano. Die Ausstellung ist eine Zwischennutzung: Ab Frühjahr 2022 möchte Katharina Heider hier ein wegweisendes Gemeinschafts-Wohnprojekt bauen.

#wurzelspitzen – der Name der Kunstausstellung auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei Demmel in Seeshaupt ist Programm: Eine Wurzel wächst mit ihrer Spitze in die Erde und gibt dadurch der Pflanze die Möglichkeit und die Stabilität, nach oben zu wachsen. Ein Bild, das die Pläne der Architektin und Eigentümerin des Geländes, Katharina Heider, auf den Punkt bringt. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Bildhauer Michael von Brentano, will sie hier Zukunft gestalten, im Einklang mit der Geschichte des Ortes.

Katharina Heider plant auf dem rund 12.000 m2 – großen Grundstück ein gemeinschaftliches Wohnprojekt mit 50 Wohnungen zu bauen. Das geplante „Gärtnereiquartier“ ist damit durchaus ein wegweisendes Bauvorhaben. Katharina Heider: „Wir haben bewusst verschieden große Wohnungen geplant, damit hier unterschiedlichste Menschen einziehen. Singles, Paare, Alte, Familien mit Kindern. Und der Interessentenkreis spiegelt das auch wider. Es sind Menschen, die sich bewusst für ein Leben in einer solchen lockeren Gemeinschaft entscheiden.“ Denn der Gedanke der Gemeinschaft ist wesentlich für das neue Wohnquartier. Zwar hat jeder seine eigene Wohnung und, auch darauf hat die Architektin geachtet, einen kleinen Garten oder zumindest einen Balkon, aber im Zentrum des Quartiers wird es einen zentralen Platz geben, viele Freiflächen und Gewächshäuser, wo man sich zwanglos treffen kann. Katharina Heider: „Es hat jeder seine eigene Wohnung, aber wir wollten die Möglichkeit schaffen, dass Menschen sich begegnen.“ Auch eine Alten-WG ist geplant und zehn Wohnungen werden in die soziale Förderung gehen. Vorgesehen ist auch ein Gemeinschaftsgebäude, das die Bewohner:innen und die Seeshaupter nutzen können, mit Veranstaltungsräumen etwa für Yoga-Kurse und Platz für Kreativarbeiter:innen oder Coworking Spaces. Im Vorfeld sollen sich die möglichen Bewohner:innen bei Interessentenveranstaltungen kennenlernen können, um sich zu überlegen, ob sie miteinander in dieser Form der Nachbarschaft leben wollen.

Gemeinschaftliches Wohnen gestalten

Für Katharina Heider ist das Projekt „eine Herzensangelegenheit“, in das sehr persönliche Beweggründe und fachliches Knowhow ineinanderfließen. Aufgewachsen hier an diesem Ort, ist die Gärtnerei für sie Heimat und sie ist geprägt durch das familiäre miteinander Leben und Arbeiten. Als Architektin hat sie nun hier die einmalige Gelegenheit, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen miteinander leben können.

Auch ist es Katharina Heider wichtig, das Familien-Grundstück als Ganzes zu erhalten: „Ich hätte das Grundstück auch parzellieren und dann die Grundstücke einzeln verkaufen können. Dann wäre hier wohl ein Einfamilienhausgebiet entstanden. Das wollte ich nicht. Ich möchte gemeinschaftliches Wohnen gestalten und dazu habe ich hier eine einzigartige Möglichkeit. “ Die entstehenden Wohnungen werden auch nicht verkauft, sondern vermietet.

Nachdem sich der Baubeginn verzögerte, entstand der Gedanke, das Gelände zwischenzeitlich anders zu nutzen. Angefangen hatte alles mit der Idee, riesige Plakate aufzuhängen, die die jahrzehntelange Arbeit der Menschen in der Gärtnerei dokumentieren. Katharina Heider hat dafür aus dem Familien-Archiv sieben Fotos ausgewählt, auf Planen gedruckt und mit Untertiteln versehen. Sie werden an den noch erhaltenen Gebäuden aufgehängt. Katharina Heider: „Es war mir sehr wichtig, den Ort und die Menschen, die hier gelebt und gearbeitet haben, zu würdigen. Das alles wertzuschätzen, was war.“

Kunst wachsen lassen

Aus dieser Idee entwickelte sich dann das Konzept für die nun ab Mai 2021 stattfindende Kunstausstellung #wurzelspitzen. Der Bildhauer Michael von Brentano sah in dem aufgelassenen Gelände sofort ein großes Potential, um hier kreativ zu arbeiten. Ein Glücksfall für Künstler:innen, denn „für uns Künstler gibt es nicht einen ersten, zweiten und dritten Lockdown, für uns ist einfach seit einem Jahr alles zu. Und egal, welche Kunstrichtung man nimmt, die kann man nicht dauerhaft in den virtuellen Raum verlegen. Und was uns darüberhinaus so wahnsinnig fehlt, ist der Austausch mit anderen.“ Der wird hier nun gegeben sein, denn es haben sich rund 30 Künstler:innen zusammengefunden, um sich von diesem Ort inspirieren und hier ihre Kunst wachsen zu lassen. Das ist bei einigen durchaus wörtlich zu nehmen, wenn wogende Weizenfelder oder Blumenbeete angelegt werden, die im Laufe der Ausstellung wachsen und sich verändern werden. Die Künstler:innen können frei gestalten, es gibt keine Einschränkung in der Wahl des künstlerischen Mediums. Sie können mit der Struktur des Geländes und den Räumen arbeiten und alles nutzen, was im Gelände noch vorhanden ist. Michael von Brentano: „Ich kann hier nicht nur etwas hinstellen, ich kann auch etwas wegnehmen, umbauen, ausgraben und umwidmen. Ich bin völlig frei und da entfaltet sich dann das ganze Potential der Kunst.“ Die Kunst, so die Organisatoren, „füllt mit ihren Bildern, Aktionen und Gedanken die Zeit und den Raum des „Nicht-Mehr-Seins“ der Gärtnerei und des „Noch-Nicht-Seins“ des neuen Wohnquartiers“.

Für Katharina Heider ist die Ausstellung ein Geschenk: „Ich bin die 4. Generation der Gärtnerfamilie Demmel. Seit über 118 Jahren haben meine Vorfahren hier gearbeitet und ich beende die Ära der Gärtnerei. Damit hatte ich schon Probleme. Es war ein langer Prozess für mich, aber irgendwann habe ich gedacht, ich beende nicht, ich transformiere nur. Der Geist der Gärtnerei oder der Geist, den meine Vorfahren da hinein gelegt haben, den möchte ich erhalten.“ Durch die Ausstellung und die Zusammenarbeit mit den Künstlern wächst etwas Neues, in Verbindung mit dem, was war. Und: „Durch die Arbeit der Künstler entdecken auch wir das Gelände noch einmal neu. Wir kriegen von ihnen diesen anderen Blick auf die Dinge geschenkt und entdecken Dinge, die wir vorher so nicht sehen konnten.“

Achtsamkeit und Wertschätzung für die Vergangenheit

Die Zeit des Übergangs ist auch eine Zeit der Spurensicherung. Michael von Brentano: „Diese unglaublich vielen Spuren, die Geschichte des Ortes: Für uns Künstler ist es sehr interessant, damit zu arbeiten. Die Kunst kann mit ihrer Interpretation etwas hervorbringen, was kein anderer sieht.“ Katharina Heider und Michael von Brentano haben einige alte gärtnerische Objekte und Gebrauchsgegenstände aufgehoben, die ihren Platz später im neuen „Gärtnereiquartier“ bekommen sollen. Auch ein Teil der Pflastersteine von den Wegen der Gärtnerei soll im neuen Wohnquartier verlegt werden.

Das „Gärtnereiquartier“ – gemeinschaftliches Wohnen, das seine Wurzeln hat an einem Ort, an dem eine Familie über Generationen hinweg gemeinsam gearbeitet hat und das ein Zeichen setzt für Wohn- und Lebensqualität für zukünftige Generationen. Solche gemeinschaftlichen Wohnformen sind längst im Trend, wie die Arbeiten renommierter und preisgekrönter Architekten zeigen. Soziales und umweltgerechtes Bauen, für Katharina Heider ist das die Achtsamkeit im Umgang mit und die Wertschätzung für das Erbe, das ihr anvertraut wurde. Und ihre Eltern, was denken sie? Katharina Heider: „Die wären froh, wenn wir endlich anfangen könnten zu bauen. Sie sehen die guten Ziele, die damit verbunden sind. Und mein Vater ist froh, dass ich den Grund nicht verkaufe.“

# wurzelspitzen: Die Ausstellung wird am Samstag 22. Mai 2021 um 12 Uhr eröffnet und wird dann Samstags und Sonntags von 12 bis 18 Uhr geöffnet sein.

Für die Dauer der Ausstellung (bis März 2022) sind auch Veranstaltungen, wie etwa Künstlergespräche geplant. Die Termine werden in der Presse, auf der Webseite www.heidersbuero.de und auf Instagram bekannt gegeben.

katharina@heidersbuero.de